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Keine Hoch-zeit für die Hochzeit?

Vom großen Traum und traurigen Realitäten

Im Juli 2020 wollten Carina und Julius heiraten. Mit einem rauschenden Fest im Schlosshotel in Reichenschwand bei Nürnberg. Eine Traumkulisse, mit einem Turmzimmer, in dem sie die Hochzeitsnacht verbringen können. Doch die Pandemie macht erst einmal alle Träume zunichte.

Von: Andrea Kammhuber

Stand: 14.06.2021 13:38 Uhr |Bildnachweis

Carina und Julius vor Schloss Reichenschwand | Bild: BR/ Andrea Kammhuber

Carina hat alles vorbereitet: sie hat 113 Servietten genäht – in einem besonderen Farbton, hübsche Gläser für Blumen zusammengesucht, sie hat für die Damen weiße Flipflops besorgt, falls die Füße durch die High Heels beim Tanzen am Abend schmerzen sollten. Im Garten hat sie Lavendel gesammelt, denn sie und Julius wollten ihren Gästen als Dankeschön eine selbstgemachte Lavendel- Seife mitgeben. Vieles liegt nun unberührt in Kästen und Kisten in der Kammer. Das Fest musste coronabedingt  abgesagt werden. Und das nicht nur einmal. Auch im Juli 2021 kann es noch nicht so stattfinden wie sie es wollen – als großes Fest mit allen Verwandten, Freundinnen und Freunden. Carina und Julius sind enttäuscht, traurig. Am vorgesehenen Hochzeitstag werden sie im Juli nun erst einmal standesamtlich heiraten. Das richtige Fest muss warten.

Hochzeit mit einem freien Trau-Redner

STATIONEN-Moderator Benedikt Schregle im Gespäch mit dem Trauredner Thomas Kirsch | Bild: BR/ Andrea Kammhuber

Thomas Kirsch im Gespräch mit STATIONEN-Moderator Benedikt Schregle

Carina und Julius haben keine Beziehung zur Kirche. Deshalb haben sie Thomas Kirsch gebeten, das Hochzeitsritual in Schloss Reichenschwand mit ihnen gemeinsam zu entwickeln. Individuell, humorvoll und trotzdem feierlich. Der freie Trauredner hat im Nürnberger Land einen besonderen Ruf. Er ist einfühlsam, nah bei den Menschen und unkonventionell. Früher war er katholischer Priester im Erzbistum Bamberg. 2005 musste er sein Amt niederlegen, weil er sich zu seiner Liebe bekannt hat.

„Über Nacht hatte ich trotz einer guten Ausbildung in der katholischen Kirche keine Chance mehr, weder als Lehrer noch als Sonderseelsorger.“

Thomas Kirsch, ehemaliger Pfarrer

Gasthaus „zum ehemaligen Pfarrer“ in Lauf

Seine Heimatgemeinde Obertrubach, Eltern und Freunde geben ihm und seiner Partnerin Rückhalt. Bei den „Schmetterling Reisen“  findet er neue Verdienstmöglichkeiten als Reiseleiter. Dann eröffnet er in der Johannisstraße mitten in Lauf das „Gasthaus zum ehemaligen Pfarrer“. Ein kleines, aber feines Haus der Begegnung, das schnell für Jung und Alt zur Anlaufstelle wird. Bis 2018.

Früher Pfarrer, heute freier Trau-Redner

Die Anfragen der Menschen nach Begleitung in „guten und in schlechten Zeiten“ werden mehr. Thomas Kirsch wird immer öfter als Trau- und Trauerredner gebucht. Das verträgt sich nicht mehr mit der Tätigkeit als Gastwirt. Denn Thomas Kirsch bereitet sich auf Hochzeiten und Beerdigungen gewissenhaft vor, versucht die Menschen wirklich zu verstehen. Was bewegt sie? Wie kann er ihnen als Seelsorger zur Seite stehen? Jede Rede, die er hält, ist sehr persönlich – individuell abgestimmt. Alles, was er in seiner Ausbildung zum Katholischen Priester gelernt hat, kann er freilich auch jetzt umsetzen.

Kein Zorn auf die Kirche

Auch wenn die katholische Kirche nicht gut mit dem Priester, der das Zölibatsversprechen nicht eingehalten hat, umgegangen ist, schimpft Thomas Kirsch nicht. Denn seine früheren Kollegen ächten ihn nicht. Im Gegenteil: auf Einladung des Pfarrers spielt Thomas Kirsch in St. Bonifatius in Röthenbach zum Beispiel die Orgel und begleitet die Gottesdienste heute „von oben“.  Seine Entscheidung für die Liebe hat er nicht bereut.

Quelle: https://www.br.de/

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